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Biografie



Rufina Blache Portrait Künstlerin in Berlin
Rede von Professor Bachmann anläßlich der Ausstellung von Rufa im Juni 1995 in der Galerie „studio im hochhaus“ in Berlin-Hohenschönhausen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Freunde, liebe Rufina

Es begann in dieser Galerie und zwar so:
Unter den Gästen die zu einer Ausstellungseröffnung hier waren, viel mir die eigenwillige Erscheinung einer Frau auf, und da ich Bildnisse von Menschen gern male, war ich natürlich sofort darauf aus, ihre Bekanntschaft zu machen.
Diese Frau - das war Rufa - hat aber auch selbst auf eine Begegnung gewartet, weil sie - was ich natürlich nicht ahnte - selbst Bilder malte.
Das war der Beginn meines Eintritts in das Leben und Schaffen eines Menschen, dessen Entwicklung sich in teilweise dramatischen Verlauf zwischen Asien und Europa abspielte.

Ich glaube, daß es vielleicht auch für Sie von Interesse ist etwas über dieses Schicksal zu erfahren, weil die Zeit dieser Jahre meiner Meinung nach sehr mitschwingen in den letztlich vergangenen vier Jahren ihres Lebens, in den Rufina Blache, geborene Li, überhaupt erst Bilder malt.

In Usbekistan, Mittelasien. Die Eltern sind koreanischer Abstammung und beide waren sowjetische Staatsbürger. Der Vater arbeitet als Physiklehrer.
In frühester Kindheit verlor Rufina ihre Mutter und mußte bis zum 4. Lebensjahr in einem Kinderheim aufwachsen. Dann, nachdem der Vater eine neue Lebensgefährtin gefunden hatte, konnte sie zwar zurück zur Familie und damit auch zu ihren 5 älteren Geschwistern. Sie kam in die russische Schule und in dieser Zeit begann ihre seit frühester Kindheit vorhandene Liebe zum Bildnerischen konkrete Züge anzunehmen.

Sie mußte Anschauungstafeln für den Bio- und Landkarten für den Geographieunterricht anfertigen, weil es zuwenig davon gab.
Im weiteren kopierte sie die Gemälde der klassischen russischen Meister.
In Folge einer großen Enttäuschung, die sie mit einer - von ihr sehr hoch verehrten - Zeichenlehrerin erlebte, wurden diese ersten Impulse verschüttet. Es gab auch kein Interesse von Seiten der Mutter dafür und bei einem Umzug der Familie wurden alle diese bildnerischen Dinge zerstört.

Nicht zuletzt war es auch ihr starker Eigenwille der sie dann vom Elternhaus fortführte und die Zeit des großen Suchens begann. Die sie mehrere Male quer durch das riesige Land von Mittelasien zum Fernen Osten bis ins westliche damalige Leningrad führte.

Hier in Leningrad bestand auch zum erstenmal die Möglichkeit künstlerische Anregungen zu erhalten, besonders durch die Museen.

Ich mußte Ihnen von diesem Leben erzählen, ehe ich zu den Bildern, die wir jetzt vor uns haben, etwas sagen kann.
Wir haben bei Rufina das Phänomen des absoluten Autodidakten vorliegen. Die Gespräche und Anregungen die sie von Malern hatte, sind ganz gering. Das künstlerische Mittel die Ölfarbe hat sich halt so ergeben.

Rufinas starkes Empfinden für die sinnliche Wahrnehmung der Welt, der Welt von Formen und Farben steht im Mittelpunkt. Die am Anfang vielleicht etwas zufällige Anregung durch den Surrealismus widerspricht dem nicht. Aber es war natürlich noch nicht ihre eigene Reflexion auf die Dinge.
Dann aber setzt sich ihre wirklich eigene Erfahrung mit den Menschen und der Welt durch. Ihre persönlichen Umgebungen, ihre Kinder, die Landschaften, die immer mit konkretem Erlebnis verbunden sind, werden ihr malenswert.
In ihren Menschendarstellungen versteht sie es differenziert seelische Werte in einer Geste, einem Augenausdruck, einer Bewegung der Hände und anderem zum Ausdruck zu bringen.

Die Genauigkeit ihrer Beobachtung und ihre Liebe zum Detail erinnern manchmal natürlich auch an die Malerei der Naiven.
Mancher Unbeholfenheit in der räumlichen Formulierung, die in der sogenannten Moderne bewußt, intellektuell als Verfremdung eingesetzt wurde, haftet bei ihr aber der Wert des existentiell Erregten an.
Mich selbst fasziniert an diesen Arbeiten, daß sie nicht aus einem erlernten Wissen um die Wirkung der Bildelemente und der Gestaltungsmittel - wie es nach einer allgemeinen Ausbildung der Fall ist – entstanden sind, sondern noch ganz elementar erstellt wurden.

Zwei wichtige Seiten gibt es die bei Rufina die Wirkung ihrer Arbeiten sehr bestimmen. Einmal das starke Bedürfnis ihr eigenes Erlebnis an den Dingen ihrer Welt anderen Menschen mitzuteilen. Ihre frühen Journalismus-Bemühungen zielten ja schon damals in diese Richtung.
Jetzt aber in der Welt der Formen und Farben muß sie das nicht nur begrifflich ausdrücken, was sie bewegt, sondern sie kann dieses Erlebnis gleichsam sinnlich real machen.
Sich selbst sozusagen in Form und Farbe hinein begeben. Dieses sich „Selbst-hinein-begeben“ wird in der heutigen Entwicklung immer mehr zu einem Haltungsmaßstabe. Alles was vordergründig auf äußere Wirkung zielt und dabei oft mit großer formaler Perfektion auftritt, allem das fehlt aber ein ergreifender und wie ich meine immer wichtiger für die Menschen werdender Aspekt, der die zweite Seite von Rufinas Arbeit ausmacht.
Das ist die besondere Individualität der künstlerischen Persönlichkeit; zu spüren ihre Wärme, ihre Freude Ihren Leid insbesondere aber in ihrer Liebe zu dem was sie bildnerisch mitteilen will.

Wenn man sich in die Bilder hier rein versetzt, wird man dieses erleben können. Ich freue mich das Rufa die Möglichkeit hat Ihre Arbeiten zum erstenmal zu zeigen. Ich wünsche für ihre weiter Arbeit und für diese Ausstellung viele aufgeschlossene Besucher.

Herzlichen Dank

Rufa, seit 1990 Autodidaktin, lebt und arbeitet in Berlin.

Rufa malt, was sie umgibt. Mit ihren Arbeiten eröffnet sie einen kaleidoskopartigen Blick auf Mensch, Landschaft und Natur.

Ihre Bilder sind von einer unmittelbaren Lebendigkeit geprägt und fordern den Betrachter auf, sich in ihnen zu versenken. Rufas Bilder bewegen sich in einem breit gefächerten Spektrum, zu ihren Werken zählen Landschaftsbilder, Stillleben, Einzel- und Gruppenporträts, Aktbilder und surrealistische Szenen.

Das Wesen des Bildgegenstandes steht für die Autodidaktin stets im Vordergrund. So trifft sie auch ihre Motivwahl intuitiv und stimmungsabhängig, sie lehnt es ab, sich auf eine einzige Bildgattung zu begrenzen. Viele von Rufas Arbeiten zeichnen sich durch ein Faible für große Formate aus. Diese unterstützen laut Künstlerin ein wahrhaftes Erfassen des Sujets und ermöglichen durch ihre Präsenz und Größe eine besondere Form des Verständnis’. Die Beziehung zum Dargestellten spielt für Rufa eine zentrale Rolle, dabei ist es ihr wichtig, dass das Sujet im Arbeitsprozess Impulse für eine gedankliche Auseinandersetzung bietet.

Mit ihrer vom Realismus geprägten Ausdrucksweise grenzt sich Rufa bewusst von jeder Inszenierung und/oder Künstlichkeit der Darstellung ab. Künstliche Realitäten bezeichnet die Künstlerin als ausschließlich visuell geprägt. Für Rufa können diese keinen Anspruch auf Emotionen erheben.

Das Bestreben, das „Wesentliche“ greifbar zu machen und Emotionen zu transportieren, ist in ihren Porträts deutlich spürbar. Diese Bilder berühren – auch wenn die Dargestellten Fremde für den Betrachtenden sind. Betrachtet man den Kunstmarkt der letzten Dekaden, so ist die Popularität dieses Genres deutlichen Schwankungen unterworfen. Entsprechend bezeichnet die Künstlerin ihre Arbeiten auch als die ‚nicht gezeigten’, ‚verschwundenen Bilder’

Bild 1
Johannes 40x100 cm öl auf Leinwand

Häufig liefern die Augen der Porträtierten den „Schlüssel“, über sie gelingt es dem Rezipienten, einen Zugang zu den Figuren zu entwickeln. In ihren Porträts bildet Rufa die Figuren gern in nachdenklicher Pose ab. In einigen Arbeiten suggeriert dies einen verträumten, in sich gekehrten Charakter. Der Betrachter bleibt im Unklaren, ob die Figur seinen Blick wirklich erwidert oder doch ganz in sich versunken durch den Betrachtenden ‚hindurchschaut’. Mit dieser Blickführung erhöht sich die Wirkung von Intimität, die generell schon in den Arbeiten angelegt ist.

Bild 1
Marienkäfer 120x150 cm öl auf Leinwand

Im Gruppenbild Marienkäfer kombiniert die Künstlerin verschiedene Genres. So wirken die drei Kinderfiguren, die gänzlich in die Betrachtung eines Marienkäfers versunken sind, sehr flächig. Auf dem bordeauxfarbenen Hintergrund, der in seiner Ausarbeitung an den Faltenwurf einer Decke erinnert, erscheinen die Figuren nahezu collageartig montiert. Unterstützt wird dieser Eindruck von einem detailreich ausgearbeiteten Element im vorderen Bildmittelgrund: einem Korb voller Äpfel, der von einer Kerze beleuchtet wird. An klassische Vanitaselemente erinnernd, sind die Äpfel plastisch ausgearbeitet. Durch diese Anordnung schafft die Künstlerin Irritationen. Mit den Sehgewohnheiten des Betrachters wird gebrochen, die Kombination von Fläche und Form erzeugt Spannung.

Wie für Rufas Werk kennzeichnend, erzeugt sie bereits in dieser frühen Arbeit eine besondere Intimität innerhalb der Darstellung, sowie zwischen Dargestelltem und Betrachter. Die Figuren verfügen über eine unmittelbare Präsenz. Die Künstlerin lässt den Betrachtenden an einem privaten Augenblick ihrer Figuren teilhaben. So wird der Rezipient hier Zeuge des Entdeckerdranges der drei Jungen, die versunken in die Betrachtung eines Marienkäfers sind. Ein Moment des „Absoluten“, ein Verweilen im Staunen des Augenblicks. Die Suggestion von Intimität wird durch den nahezu amorph gestalteten Hintergrund, welcher die Kinder wie eine Höhle zu umhüllen und vor äußeren Einflüssen zu schützen scheint, noch gesteigert. Von ebensolcher Stärke und Intimität ist der Kleine Muck gekennzeichnet.

Bild 1
Kleine Muck 60x80 cm öl auf Leinwand



Auch in diesem Bild liegt der Fokus auf der porträtierten Figur, der Hintergrund verrät dem Betrachter nichts über die Umgebung. Stattdessen wirkt der Kleine Muck ganz selbstvergessen und in sich versunken, eingehüllt in einen warmen Hintergrund.

Angesichts der verwendeten Technik und der überzeugenden Wirkung erscheint der Umstand, dass es sich bei diesem Werk um Rufas erste Arbeit handelt, besonders beeindruckend.

Die Frauenkörper, die Rufa malt, wirken roh und rau. Grobschlächtig und faltig widersetzen sich ihre Akte jeglichem Perfektionismus. Der Farbauftrag wirkt massig, geradezu aggressiv gesättigt. Die Künstlerin erteilt mit diesen Körpern der in westlichen Gesellschaften dominierenden Vorstellung von Weiblichkeit eine deutliche Absage. Für sie stellt das herrschende Schönheitsideal eine Verletzung für das weibliche Bewusstsein dar. Rufa will Realität statt Künstlichkeit schaffen. Dies gelingt – auch wenn (oder vielleicht gerade weil) in einigen Fällen Perspektive und Proportionen gar nicht stimmen können – das Grobe, Menschliche drängt sich mit einer immensen Gewalt in den Vordergrund, die in einer spannungsgeladenen Diskrepanz zu den teilweise verletzlich wirkenden Körpern steht.

Der Betrachter vermag sich der Wirkung dieser Bilder kaum zu entziehen. Die Frauen bleiben präsent, selbst wenn in einigen Bildern kein Blickkontakt zum Rezipienten besteht. Auch hier wirken die Körper für sich, die Umgebung ist für den Betrachtenden nicht erkennbar. Der ‚bloße’ Körper ist die Essenz, ob wahrlich nackt oder auch mit fast transparenten Tüchern mehr ent- als verhüllt. Falten – sei es in der stofflichen Textur des Hintergrundes oder auch in Gesichtern und Händen der Porträtierten - dienen der Künstlerin als Mittel, um Lebendigkeit auszudrücken. Mit ihnen möchte Rufa gelebte Erfahrungen auf die Leinwand transformieren.

In ihren surrealistischen Arbeiten verwendet Rufa Symbole, die auch in ihren Stillleben und Porträts immer wieder auftauchen. So stehen etwa Blumen für das Leben, Äpfel symbolisieren die Liebe. In ihren Traumbildern begegnen nun diese Symbole, welche das „Lebendige“ charakterisieren, einer menschlichen Kühle, die sich in den dominierenden Blau- und Grüntönen widerspiegelt. Zugleich verbindet die Künstlerin mit dieser Farbpalette eine ‚Reinheit’, wie sie auch bei den vier Elementen zu finden ist. Im Gegensatz zu den anderen Werkgruppen, ist in diesen surrealistisch inspirierten Bildern der Hintergrund bearbeitet. Häufig verlieren sich in ihm Wege und Türen, welche das Leben – oder auch die Suche nach ihm – darstellen. Ein sich wiederholendes Motiv stellen Nadeln dar. Sie bezeichnen die Möglichkeit, sich im Leben zu verankern, gleichwohl wo und unter welchen Umständen.

Wie erwähnt, konzentriert sich Rufas Malweise auf den Bildvordergrund, die Figur als das Wesentliche des Bildinhaltes. Der Hintergrund bzw. seine Ausgestaltung wird für die Künstlerin zunehmend unwichtiger.

So erscheinen aktuelle Arbeiten wie die 3 Madonnen, bei denen Rufa die Leinwand im Bildhintergrund gänzlich unbearbeitet lässt, als konsequente Fortführung und logische Reduktion.

Bild 1
Drei Madonnen 60x80 cm Öl auf Leinwand



3 Madonnen

Die Aufmerksamkeit des Betrachters richtet sich hier rein auf den Bildvordergrund. Nebeneinander sind hier drei „schwarze“ Frauen abgebildet. Der Blick des Betrachters wird auf die mittlere Figur gelenkt. Unterstützt wird dies dadurch, dass die Figur in der Mitte auch von den sie flankierenden Frauen betrachtet wird. Doch der Blick der Frau fällt durch den Rezipienten hindurch, sie scheint nachdenklich in die Ferne zu blicken.

Rufa bezeichnet die drei Madonnen als ein Sinnbild des freien Miteinanders. Zudem möchte sie mit ihnen den eurozentristischen „weißen Blick“ irritieren, welcher Madonnen gewöhnlich mit „weißer“ Hautfarbe konnotiert. In diesem Motiv begegnen sich religiöse und spirituelle Elemente im essentialistischen Streben der Künstlerin.

Wieder gelingt es Rufa, die Aufmerksamkeit des Betrachtenden zu fesseln und ihn einzuladen, in Dialog mit dem Bild zu treten und sich einzulassen auf Rufas Blick auf das Leben.

Text: Monika Gorillé